Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen & Kollegen, liebe Gäste,
nach dem Katastrophenszenario der AfD wollen wir nun wieder zur realen Situation zurückkommen. Die sehen wir nicht ganz so positiv wie die Regierungsfraktionen; aber das liegt wohl auch in der Natur der Sache.
Die Brandenburger Wirtschaft boomt - wie in allen anderen Bundesländern auch. Woran es in der Brandenburger Wirtschaft jedoch nach wie vor krankt, sind die Zukunftsthemen Internationalisierung, Digitalisierung und Innovation. Laut dem Landesamt für Statistik folgte Brandenburg in den letzten zehn Jahren zwar dem Wachstumstrend des gesamten Bundesgebiets. Aber damit kann - wegen des weiterhin geringeren Arbeitslohns, der stagnierenden Exportquote, geringerer Arbeitsproduktivität - natürlich niemand zufrieden sein.
Es greift jedoch viel zu kurz, bei diesem Thema immer nur die Ost-Karte zu ziehen und sich zu beklagen, dass immer noch kein DAX-Konzern seinen Sitz in die neuen Bundeländer verlegt hat. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (IWH) in Halle hatte vor kurzem wichtige Hinweise zu den Problemen in Ostdeutschland geliefert: Zu der in den meisten ostdeutschen Regionen nach wie vor wenig ausgeprägten Wachstumsdynamik heißt es dort "Das liegt nicht nur an den fehlenden Konzernzentralen in den Ost-Bundesländern. Ostdeutsche Betriebe sind im Schnitt unproduktiver." Und warum ist das so? Die Subventionen seien an die falschen Stellen geflossen heißt es in der Studie. Es seien vor allem alte, unproduktive Industriebetriebe gefördert und erhalten worden. Das kennen wir auch aus Brandenburg nur zu gut: Ob es ein Kohlekraftwerk oder ein Stahlwerk ist: Die alten Industrien sind der Landesregierung immer lieb und teuer gewesen.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Natürlich muss es jetzt auf allen Ebenen und mit ganzer Kraft darum gehen, die Arbeitsplätze in Eisenhüttenstadt zu erhalten. Deshalb hätten wir dem - inzwischen zurückgezogenen - Antrag auch zugestimmt. Eine Idee dazu, wie das gelingen kann, fand sich darin jedoch lediglich - und zwar gut versteckt - in einem Nebensatz wieder. Dort war nämlich von "nachhaltiger Stahlproduktion" die Rede. Aber Nachhaltigkeit ist DIE zentrale Aufgabe, damit das Werk in Eisenhüttenstadt und die Brandenburger Wirtschaft eine Zukunft hat!
Wir müssen vor allem klimafreundlicher und innovativer werden, um zukünftig nicht nur noch "verlängerte Werkbank" zu sein. Ein einfaches Weiter-so reicht nicht aus! Und Wasserstoff allein wird uns auch nicht retten. Denn unser aktueller Energieverbrauch liegt weit über der Menge, die wir in Brandenburg aus erneuerbaren Energien gewinnen können. Energieeffizienz und Energieeinsparung sind deshalb Gebot der Stunde!
Wir Grünen wollen den Schwerpunkt der Wirtschafts- und Industrieförderung künftig auf die Themen Innovation bzw. klimafreundliche und ressourcenschonende Technologieentwicklung und Digitalisierung legen. Hierfür bereitstehende Mittel werden seit Jahren nicht abgerufen. Und genau deshalb brauchen wir die von uns vorgeschlagene Innovationsplattform zukunftsfähige Industrie.
Das gesamte Innovationssystem Brandenburgs ist allenfalls mittelmäßig. Wir haben darüber ja schon im Zusammenhang mit der sogenannten Gründungs- und Unternehmensnachfolgestrategie gesprochen. Während klassische Investitionsförderung jährlich mit einem dreistelligen Millionenbetrag im Haushalt steht, sind die Kapitel für Innovation und Technologieentwicklung nur einen Bruchteil so groß. Allein in das jetzt in der Diskussion stehende Stahlwerk in Eisenhüttenstadt und seine Belegschaft sind zum Beispiel seit dem Mauerfall insgesamt über eine Milliarde Euro an Steuergeldern geflossen. Jetzt versucht Rot-Rot mit Appellen an die Konzernleitung von ArcelorMittal, für den Standort zu werben. Was wir aber wirklich brauchen, sind substanzielle Veränderungen und neue Lösungsansätze für die Industrie.
Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Landespolitik sollen zusammen in Innovationsteams arbeiten und Lösungen für die Industrie von morgen entwickeln. In Cottbus wurde jetzt der Grundstein für das DLR-Institut für CO2-arme Industrieprozesse gelegt. Ebenfalls starten soll jetzt das vom Bundesumweltministerium finanzierte Kompetenzzentrum Klimaschutz in energieintensiven Industrien (KEI). Das sind hervorragende Voraussetzungen, um zusammen mit den Unternehmen der Region eine solche Brandenburg-Plattform mit Leben zu füllen.
Mit diesem Instrument ist jetzt übrigens auch Nordrhein-Westfalen an den Start gegangen. Gerade die Herausforderungen des Klimawandels lassen sich anders auch gar nicht vernünftig lösen. Der Handlungsdruck ist groß und der Weg ist noch weit. Wenn wir die industriepolitischen Rahmenbedingungen jetzt nicht auf Klimafreundlichkeit und Nachhaltigkeit ausrichten, werden wir bald keine Industrie mehr haben - jedenfalls nicht mehr in den berlinferneren Regionen und keine mehr mit guten Arbeitsplätzen.
Ihrem Entschließungsantrag werden wir zustimmen; denn da steht viel Richtiges drin. Aber das reicht nicht aus. Brandenburg braucht viel mehr, nämlich industriepolitische Leitlinien für das 21. Jahrhundert. Wir bitten daher um Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag.
Vielen Dank.