Heide Schinowsky

Der 8. Mai als Gedenktag - Meine Rede zur Änderung des Feiertagsgesetzes

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, der von Deutschland begonnene Krieg bedeutete für Millionen Menschen die Vernichtung. Es fällt immer noch und immer wieder schwer, für dieses Grauen, für die Antwort auf das Warum? und für die übergroße Schuld, die wir Deutschen hiermit auf uns geladen haben, Worte zu finden. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, der Massenmord an Sinti und Roma, an Homosexuellen, an Menschen mit Behinderung und vielen anderen Opfergruppen markieren einen Zivilisationsbruch. Erst der Eingriff der Alliierten bereitete dem ein Ende.

Deshalb ist und bleibt der 8. Mai ein Tag der Befreiung. Wir wollen insbesondere an DIESEM Tag den Blick zurück auf das Geschehene werfen, auf das Leid der Opfer. Und wir müssen uns mit der Frage auseinandersetzen, wie wir Deutsche, wir Brandenburgerinnen und Brandenburger der Verantwortung für das Geschehene in unserem Handeln gerecht werden können. Ich denke, für die Beantwortung dieser Fragen ist der persönliche Zugang von besonderer Bedeutung. Was verbinden wir persönlich mit diesem Datum? Was verbinde ich mit diesem Datum? Ein Großvater von mir war im zweiten Weltkrieg Offizier. Der Bruder meiner Großmutter kam noch kurz vor Kriegsende in Leipzig im Gefängnis der Nazis ums Leben – auch für ihn kam die Befreiung zu spät. Der Blick in die Familien zeichnet vermutlich bei vielen von uns ein gemischtes Bild. Anfang diesen Jahres war ich in Yad Vashem, der Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem. Umgeben war ich dort von vielen jungen Israelis – und beschämend schwer zu ertragen war und ist für mich der Gedanke, dass vermutlich JEDER von diesen jungen Menschen Verwandte hatte, die von Deutschen, von unseren Vorfahren vernichtet wurden. Die Last dieses Besuchs treibt mich an – und wir alle haben uns wahrscheinlich schon mit der Frage beschäftigt, auf welcher Seite unsere Verwandten in der Nazi-Zeit gestanden haben. Für die sogenannte 68er-Generation war die Frage nach der Schuld der Angehörigen, der Amtsträger und Politiker ein wichtiger Grund, aktiv zu werden und die bis dahin mangelnde kritische Auseinandersetzung mit der Verantwortung für den zweiten Weltkrieg und dem Unheil, das Deutschland über Europa und Teile der Welt gebracht hat zum Thema zu machen. Es hat lange gedauert, bis auch in Westdeutschland der 8. Mai für die Mehrheit der Bevölkerung zum Tag der Befreiung wurde. Für uns Ostdeutsche war die Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich auf andere Weise schwierig: Das Ende des Nazi-Reichs bedeutete für uns im Osten nicht die Einführung der Demokratie. Oder um es mit den Worten Richard Schröders, des ehemaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden zu sagen – Zitat: „Der 8. Mai hatte uns im Osten eine Befreiung ohne Freiheit gebracht.“ Aber lassen Sie uns nach vorne schauen – auf zwei Punkte möchte ich mit Blick auf unsere gemeinsame Verantwortung heute eingehen, nämlich auf Militäreinsätze und unser Verhältnis zum Staat Israel: Als Kind habe ich nicht verstehen können, warum dem millionenfachen Morden nicht schon früher Einhalt geboten wurde. Vom Hitler-Stalin-Pakt habe ich erst später erfahren – und verstanden, warum Beginn und Ende des 2. Weltkrieges auch heute noch für unsere mittelosteuropäischen Nachbarn, insbesondere für Polen und das Baltikum mit sehr gemischten Gefühlen betrachtet werden. In unserer Welt, in der es auch heute noch Völkermorde gibt, wo Christen, Jeziden oder Mitglieder muslimischer Gemeinschaften wegen ihres Glaubens verfolgt und getötet werden, fordert uns stets aufs Neue zum sorgfältigen Abwägen auf, wie wir unserer Verantwortung für eine friedliche Welt heute gerecht werden können. Gerade die Anerkennung des 8. Mais als Tag einer mit militärischen Mitteln erreichten Befreiung Deutschlands erlaubt uns keine einfachen Antworten. Und zum zweiten Punkt, zu Israel: Bis in die 80er Jahre wurde der Holocaust, die geplante Vernichtung der Juden in der DDR von staatlicher Seite nahezu vollständig ausgeblendet. Die erste frei gewählte Volkskammer der DDR sah sich deshalb 1990 in der Pflicht, hierzu klare Worte zu finden. Im Namen aller Fraktionen wurde damals Folgendes beschlossen.

„Wir bitten das Volk in Israel um Verzeihung für Heuchelei und Feindseligkeit der offiziellen DDR-Politik gegenüber dem Staat Israel und für die Verfolgung und Entwürdigung jüdischer Mitbürger auch nach 1945 in unserem Lande.“

Heute wissen wir, dass wir als Gesamtdeutschland eine besondere Verantwortung gegenüber dem Staat Israel und seinen Bewohnern haben. hs-7472Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wir tragen Verantwortung dafür, dass die Menschheitsverbrechen in ihrer Einzigartigkeit nicht vergessen werden und dass sie als Mahnung für uns und kommende Generationen dienen. Ich denke, dass wir mehrheitlich auf gutem Wege sind, in gemeinsamer Deutung des Ende des Nazi-Regimes zu gedenken. Die Aufgaben, die hiermit für uns verbunden sind, können und sollten wir gemeinsam angehen. Vielen Dank.  

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